Bei der 83. Austragung des Genter Sechstagerennens standen mit den Europameistern Roger Kluge und Theo Reinhardt auch zwei deutsche Teilnehmer am Start. Nach der 1. Nacht lagen sie unter sieben rundengleichen Paaren mit den wenigsten Punkten nur auf Rang sieben. Angeführt wurde das Klassement von den belgischen Vorjahressiegern Lindsay de Vylder und Robbe Ghys, die nach Punkten knapp vor dem Franzosen Benjamin Thomas und seinem belgischen Partner Fabio van den Bossche sowie den Niederländern Yoeri Havik/Vincent Hoppezak führten. Zwei dritte Plätze von Roger Kluge im Dernyrennen und von Theo Reinhardt im Ausscheidungsrennen waren an diesem ersten Abend die besten Platzierungen des deutschen Teams.
Die folgenden Nächte bis einschließlich Freitag beherrschten vor allen Dingen dominante Belgier, die beim fachkundigen Publikum immer wieder für Begeisterung sorgten. Sie dominierten nicht nur in den Rahmenwettbewerben, sondern gaben auch die Richtung in den jeweils maximal zwei täglichen Madisons vor. In Szene setzten sich darüberhinaus auch die Niederländer Yoeri Havik/Vincent Hoppezak, ihr Landsmann Jan-Willem van Schip oder auch der Franzose Benjamin Thomas und der Australier Aaron Gate mit ihren jeweils belgischen Partnern.
Am Samstag und Sonntag beim großen Finale waren wir persönlich vor Ort und der Samstag begann mit den Fahrern der U 23, darunter die jungen Deutschen Bruno Kessler und Benjamin Boos, die zweimal im Madison mit Rundenvorsprung überlegen die Konkurrenz beherrschten. Mit insgesamt zwei Runden Vorsprung und dem höchsten Punktekonto lagen sie vor den beiden punktgleichen belgischen Paaren Stan Dens/Renzo Raes und Thor Feyaerts/Witse Bertels.
Bei den Profis fehlten zu Beginn des Samstagabends vor ausverkaufter Halle krankheitsbedingt der starke Niederländer Yoeri Havik und der junge Belgier Matijs van Strijthem. Zunächst siegten in den Punktefahren mit Gianluca Pollefliet und Nolan Huysmans zwei junge Belgier, bevor Benjamin Thomas/Fabio van den Bossche die Mannschaftsausscheidung für sich entschieden und Lindsay de Vylder/Robbe Ghys das Rundenrekordfahren dominierten. Vor der großen Jagd über 50 Minuten waren die Frauen mit einem Ausscheidungsfahren an der Reihe, u.a. mit der belgischen Ausnahmeathletin Lotte Kopecky, die sich den Sieg nicht nehmen ließ und im Spurt Helene Hesters distanzierte und später auch das Punktefahren mit einem Rundengewinn überlegen gewann.
Die große Jagd konnte dann die Zuschauer nur begeistern, ständige Positionskämpfe ließen große Spannung aufkommen und am Ende siegten mit ganz starker Leistung Roger Kluge/Theo Reinhardt, die mit einer Runde Vorsprung auch dank ihrer ersten Bonusrunde für erzielte 100 Punkte die Gesamtführung übernahmen. Für Roger Kluge langte es dann im Dernyrennen noch zu Platz drei hinter den Belgiern Jules Hesters und Noah Vandenbranden, die mit einem Rundengewinn sich ein starkes Finish lieferten. Das folgende Einzelausscheidungsfahren wurde eine Beute des Niederländers Jan-Willem van Schip, der den Belgier Nolan Huysmans, der mit Vincent Hoppezak ein neues Team bildete, auf den zweiten Platz verwies. Das zweite Dernyrennen gewann dann Lindsay de Vylder in einem spannenden Finale vor Benjamin Thomas und Vincent Hoppezak.
Bevor die zweite Jagd über 20 Minuten den vorletzten Abend beendete, gab es noch das Zeitfahren über 500 Meter mit dem Sieg von Lindsay de Vylder/Robbe Ghys. Die Schlussjagd war erneut sehr spannend mit offenen Schlagabtausch und am Ende waren es der Brite Mark Stewart an der Seite des Niederländers Philip Heijnen, die sich vor den rundengleichen Jules Hesters und Aaron Gate durchsetzten. Letztere übernahmen damit auch die Führung in der Gesamtwertung, bevor es am Sonntag in die finale Entscheidung ging mit noch vier aussichtsreich im Rennen liegenden Teams, darunter Roger Kluge/Theo Reinhardt auf Platz zwei.
Der finale Tag startete mit dem eindrucksvollen Sieg der beiden Deutschen Bruno Kessler/Benjamin Boos, die auch die Gesamtwertung der U 23 überlegen für sich entschieden. Eine ganz starke
Leistung, die im nächsten Jahr einen Start im Genter Profifeld ermöglichen sollte! Am Ende betrug ihr Vorsprung drei Runden gegenüber den zweitplatzierten Dänen Peter Bheki Laursen und seinen niederländischen Partner Joeri Schaper.
Die Profis begannen mit den üblichen Rahmenwettbewerben wie Punktefahren, Zeitfahren etc., in denen noch drei Favoritenteams wichtige Punkte für mögliche Bonusrunden holen konnten. Die ersten die davon profitierten waren Lindsay de Vylder/Robbe Ghys, während Benjamin Thomas/Fabio van den Bossche durch den zweiten Platz in der Mannschaftsausscheidung ebenfalls eine Bonusrunde erhielten und damit die vier Favoritenpaare rundengleich in die Finaljagd gingen. Ein dritter Platz im Rundenrekordfahren reichte Jules Hesters/Aaron Gate nicht mehr für eine Bonusrunde, mit der sie die alleinige Führung übernommen hätten. Hierfür wäre allerdings nur der Sieg in diesem Wettbewerb nötig gewesen.
Die Finaljagd begann mit einem ersten Rundengewinn der Letztgenannten, gefolgt von Roger Kluge/Theo Reinhardt. Es entwickelte sich ein sensationelles Finale mit ständigen Führungswechseln, in dem zunächst Jules Hesters/Aaron Gate immer wieder die Initiative ergriffen, sogar eine Doublette fuhren, allein in Führung lagen, um am Ende „nur mit dem dritten Platz“ belohnt zu werden, für sie allerdings aller Ehren wert. Platz zwei ging letztlich an Lindsay de Vylder/Robbe Ghys, die den angestrebten Hattrick in Gent knapp verpassten. Der Sieg mit Rundenvorsprung, der erst sechs Runden vor Schluss realisiert wurde, ging am Ende mit einem letzten, unwiderstehlichen Angriff an die überragenden Benjamin Thomas/Fabio van den Bossche, während Roger Kluge/Theo Reinhardt trotz starker Gesamtleistung mit dem undankbaren vierten Platz im Endergebnis vorliebnehmen mussten.
Das Sechstagerennen in Gent hat einmal mehr nicht nur die einheimischen Fans in den Bann gezogen und für unbeschreibliche Begeisterung auf den vollbesetzten Rängen gesorgt. Ein derartiges Event über volle sechs Tage scheint leider nur noch im Mutterland des Radsports möglich zu sein.
Bernd Mülle
Beitragsfoto: Photo by Bas Bogaerts, © Stad Gent-Dienst Toerisme