Das Berliner Six-Day-Weekend war ein Erfolg. Sportlich hielt das Duell der Welt- und Europameister den Erwartungen stand. Und der Zuschauerzuspruch lässt für die Zukunft hoffen.
Berlin, 28. Januar. Das Finale des 111. Berliner Sechstagerennens erinnerte stark an die Glanzzeiten der Traditionsveranstaltung. 7500 Zuschauer sorgten am Samstagabend für ein ausverkauftes Velodrom und feuerten vor allem die Lokalmatadoren Roger Kluge und Theo Reinhardt lautstark an, die sich aber mit dem zweiten Platz begnügen mussten. Vergessen waren kurzzeitig die Sorgen um die Zukunft des Rennens, das nur schwer den Re-Start aus der Corona-Zwangspause geschafft hat und in diesem Jahr auf zwei Tage verkürzt werden musste.
Sportlich spielte das Six-Day-Weekend in der 1. Liga. In einem an Spannung kaum zu überbietenden Finale sicherten sich die Madison-Weltmeister Yoeri Havik und Jan-Willem van Schip mit dem letzten Sprint den prestigeträchtigen Sieg. Die Niederländer hatten die etwas größeren Reserven und verwiesen mit 164 Punkten die Vorjahresgewinner und dreimaligen Europameister Kluge/Reinhardt (157) auf Platz zwei. Die deutschen Meister Moritz Malcharek/Moritz Augenstein komplettierten mit zwei Runden Rückstand das Podium.
Die Zuschauer im ausverkauften Velodrom erlebten einen Radsport-Abend der Extraklasse. Im Hauptwettbewerb lieferten sich die dreimaligen Europameister Roger Kluge/Theo Reinhardt und die amtierenden Weltmeister Yoeri Havik/Jan-Willem van Schip den erwarteten Zweikampf. Nach dem Mannschafts-Ausscheidungsfahren zu Beginn des Abends wechselte zunächst die Führung an die Niederländer. Nach der ersten Jagd über 100 Runden wechselte die Spitzenposition zurück an die Lokalmatadoren. Alle anderen Mannschaften lagen da schon mindestens zwei Runden zurück. Der Schweizer Claudio Imhof und sein Partner Roy Eefting-Bloem aus den Niederlanden setzten sich aber mit einem Rundenrekord (25,802 Sek.) im 500-Meter-Madison erfolgreich in Szene, ehe die finale 60-minütige Jagd den Abend beschloss.
„Wir haben in den Sprints alles versucht, aber nach zwei mega-geilen Tagen war gegen die Weltmeister kein Kraut gewachsen und der Tank bei uns ein bisschen leer“, sagte Kluge, der am Sonntagmorgen mit seinem Partner die Reise zum nächsten Höhepunkt, dem ersten Nations-Cup der Saison in Adelaide/Australien, antrat. „Die Holländer sind die verdienten Sieger – sie waren diesmal einfach stärker. Die Stimmung war grandios, wie in alten Zeiten“, freute sich Reinhardt.
Auch wirtschaftlich war das Zwei-Tage-Event offenbar ein Erfolg und weckte Hoffnungen für die Zukunft. „Wir haben bis zur letzten Minute um die Veranstaltung gezittert, jetzt dürfen wir ein bisschen stolz sein, das Velodrom an zwei Tagen vollgemacht zu haben“, bilanzierte Chef-Organisator Valts Miltovics. Immerhin kamen in diesem Jahr an zwei Tagen so viele Zuschauer wie 2023 an drei Tagen und sorgten für schwarze Zahlen. „Wir müssen zurück zu drei Tagen, das wäre der nächste Schritt. Mehr will ich nicht versprechen“, blieb Miltovics aber vorsichtig.
Erstmals trat der Berliner Radsport Verband (BRV) als Veranstalter der Sixdays auf und hat dazu kürzlich die Markenrechte erworben. „Wir erhoffen uns dadurch künftig finanzielle Unterstützung durch die Senatsverwaltung für Inneres und Sport. In diesem Jahr wurde uns mit der Überlassung des Velodroms bereits unkompliziert geholfen“, sagte BRV-Präsident Claudiu Ciurea. Im Laufe des Jahres will der Verband für seine Rennen neue Strukturen schaffen.
Für BRV-Chef Ciurea und Miltovics ist klar, dass es 2025 ein 112. Sechstagerennen geben wird. Ein Termin im Januar ist wahrscheinlich. „Bis dahin wollen wir stark am Konzept arbeiten. Wir sind in den letzten Jahren zu modern geworden. Wir müssen wieder mehr die Traditionen in Berlin pflegen“, sagte Ciurea. Nachwuchs und Frauen sollen einen größeren Stellenwert erhalten. „Die Sixdays sind für Berlin und den Radsport sehr, sehr wichtig – in allen Facetten“, ergänzte der Verbands-Chef.
Der Sprint-Wettbewerb der Männer verlief ebenfalls überaus spannend. Der Weltranglisten-Erste Mateusz Rudyk aus Polen setzte sich im letzten Sprint gegen Olympiasieger Roy van den Berg durch und holte damit auch den Gesamtsieg. Rudyk siegte mit 90 Punkten vor Lokalmatador Robert Förstemann (78). „Das Velodrom war ein Hexenkessel, das war Balsam für die Seele – Berlin kann Radsport. Ich hatte Gänsehaut“, freute sich Förstemann, der knapp seinen fünften Gesamtsieg verpasste. Den dritten Platz belegte van den Berg (74). Der Tscheche Tomáš Bábek beendete mit Tränen in den Augen im Velodrom seine beeindruckende Radsport-Karriere. „Berlin ist wie meine zweite Heimat, ich habe dort gelebt, bin dort Rennen gefahren und habe in dieser Stadt tolle Erinnerungen an meine Karriere gesammelt. Die Atmosphäre bei den Sixdays war wie immer fantastisch – es war emotional“, sagte „Superman“ Bábek nach seiner letzten Runde durch das Spalier der langjährigen Kolleginnen und Kollegen.
Bei den Stehern sicherte sich der Leipziger Daniel Harnisch mit seinem Schrittmacher Gerd Gessler den Sieg im zweiten Tageslauf und damit auch die Gesamtwertung aus drei Rennen. Kurz vor Schluss setzte das Duo die entscheidende Attacke. „Das Publikum war fantastisch“, freute sich Harnisch. Mit vier Punkten aus drei Rennen verwies er Europameister Reinier Honig aus den Niederlanden (5) und Robert Retschke aus Chemnitz (10) auf die Plätze zwei und drei. „Wir haben alles gesehen, was den Steher-Sport ausmacht. Tempo, Ausdauer und Taktik“, sagte Schrittmacher-Legende Peter Bäuerlein im PŸUR-Livestream.
Fotos: Drew Kaplan